16. April 2021

Wo finden sich die größten Digitalisierungspotentiale im deutschen Schulwesen? Und was können wir mit Blick auf europäische Standards lernen? Mehr zu diesen Themen verrät uns Herr Guido Bacharach, Leiter der Stabstelle "Strategie und Digitalisierung" der Stiftung für Hochschulzulassung (SfH), in unserem Fachgespräch.

 

1. Herr Bacharach, als Leiter der Stabstelle „Strategie und Digitalisierung“ der Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) sind Sie bei unserem „Schwestervorhaben“ XHochschule aktiv involviert. Was stellen Sie sich unter einem OZG und SDG unterstützenden Vorhaben XSchule vor?

Aus meiner Sicht ergeben sich für XSchule zwei wesentliche Herausforderungen. Zunächst ist es wichtig, den Umfang des Vorhabens genau abzugrenzen und festzulegen, mit welchen Themen sich das Vorhaben konkret beschäftigt. Wenn wir uns mit Schulzeugnissen befassen, müssen wir uns beispielsweise fragen, was genau darunter verstanden wird, da es je nach Schule unterschiedliche Zeugnisarten gibt. Selbiges gilt für Schulbescheinigungen. Hier müssen wir einen klaren Fokus setzen und den Umfang des Vorhabens daran ausrichten. Darüber hinaus muss die strukturelle Komplexität von XSchule möglichst frühzeitig erfasst und die Inhalte im Folgenden weder zu oberflächlich noch zu detailliert bearbeitet werden. Hierunter fallen beispielsweise die organisatorischen und rechtlichen Unterschiede zwischen den Bundesländern und einzelnen Schulen, sowohl was die Anforderungen als auch die mögliche Ausgestaltung eines einheitlichen Standards betrifft.

Als deutscher Vertreter im EMREX Executive Committee und im EBSI Use Case Diploma habe ich zudem die europäische Perspektive im Blick. Meiner Einschätzung nach wird sich die Welt stark in Richtung EDCI, der Europass Digital Credential Infrastructure, konzentrieren. Ein deutscher Standard könnte sich entsprechend an bestehenden Standards, zu denen neben der EDCI beispielsweise auch das ELMO-Format zählt, orientieren und diese für sich nutzen und erweitern. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass bei dem Vorhaben XSchule kein komplett neuer Standard entwickelt wird. Eine mögliche übergeordnete Zielsetzung für XSchule könnte hier die Schaffung von gemeinsamen Standards im Bereich Daten und Strukturen sein, da wichtige Unterschiede, beispielsweise auf der semantischen Ebene, trotz vorhandener Bedarfe bislang nicht systematisch erfasst werden.

 

2. Welche Nachweise haben, neben den bereits angesprochenen Schulzeugnissen, aus Ihrer Sicht ein besonders hohes Digitalisierungspotential?

Der aus meiner Sicht wichtigste Nachweis innerhalb Deutschlands ist die Hochschulzugangsberechtigung als Schnittstelle zwischen dem sekundären und tertiären Bildungsbereich. Dieses System bildet europaweit jedoch eher eine Ausnahme, da in vielen europäischen Ländern anstelle einer einheitlichen Hochschulzugangsberechtigung Einzelzertifikate der ausstellenden Schulen existieren, die jeweils eigene Anforderungen haben. Hier muss nicht nur der europäische (Rechts-)Rahmen, sondern auch die abweichende Denkweise im europäischen Ausland beachtet werden, damit es nicht zu Verständnisproblemen kommt. Entsprechend muss eine deutschlandweite Lösung kompatibel mit europäischen Standards sein, gleichzeitig aber auch die deutschen Besonderheiten berücksichtigen.

Neben der Hochschulzugangsberechtigung sind aus meiner Sicht auch Wechsel innerhalb von Schulbereichen sowie Schulübergangszeugnisse bedeutsam. Hier sollten die benötigten Nachweise idealerweise digitalisiert und standardisiert ausgetauscht werden. Dafür muss zunächst geklärt werden, welche Daten über Schüler:innen in welcher Semantik und in welcher Struktur geschaffen werden sollen. Auch Schülerausweise weisen ein hohes Digitalisierungspotential auf: Wie können sich Schüler:innen bei Bedarf digital identifizieren, beispielsweise für Zugriffsrechte bei digitalem Unterricht?

 

3. Gibt es Anmerkungen oder Hinweise, die Sie uns bzw. dem Vorhaben XSchule mit auf den Weg geben möchten?

Wie bereits eingangs erwähnt, gilt es aus meiner Sicht zunächst sowohl die Zielsetzung als auch den Umfang des Vorhabens zu definieren und klar zu kommunizieren. Wie sehr soll XSchule inhaltlich in die Tiefe gehen? Welche länder- und institutionsspezifischen Informationen sind für einen einheitlichen Standard notwendig? Welche Akteur:innen benötigen welche Informationen? Diese Fragen müssen geklärt und das Vorhaben anschließend bewusst auf die ausgewählten Aspekte begrenzt werden.

Für die anstehenden Bundesländerworkshops ist es zudem von Bedeutung, länderspezifische Besonderheiten herauszuarbeiten und die Relevanz der jeweiligen Nachweise zu beachten. So sind Schulpraktikumsnachweise in Hochschulzugangsberechtigungen für die von uns als SfH zu verantwortenden Studiengänge beispielsweise nicht weiter relevant.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass XSchule sicher ein herausforderndes Vorhaben werden wird, welches ich jedoch, stellvertretend für die SfH, gerne aktiv unterstütze.